Paul Srajbr war sich dessen bewusst, als plötzlich im Raum stand, dass er eine Weiterbildung zum Internationalen Schweißfachingenieur absolvieren sollte. Denn die Firma G+W Tief- u. Rohrleitungsbau in Rheda-Wiedenbrück suchte einen geeigneten jungen Kandidaten mit der Zusatzqualifikation SFI, um die Zertifizierung nach DVGW GW 301 G1/W1 in die nächste Generation zu übertragen.
60-stündiges Schweißpraktikum Teil 2 – was nun?
Ein Schweißfachingenieur muss zwar in seinem Berufsalltag nicht selbst schweißen, dennoch stand der studierte Maschinenbau-Ingenieur mit Schwerpunkt Energietechnik zunächst vor einem Problem, als er mit seiner Firma gemeinsam nach einer passenden Ausbildungsstätte suchte: Der Ausbildungsweg zum SFI ist streng in der dafür verbindlichen Richtlinie DVS-IIW/EWF 1170 geregelt, und Pflicht ist dabei ein 60-stündiges Schweißpraktikum. Von diesem könnte Srajbr gerade einmal das Gasschweißen gefahrlos absolvieren, alle anderen Schweißverfahren – E, MIG, MAG und WIG – könnten seinen Herzschrittmacher aus dem Takt bringen. Aus der Traum von der Weiterbildung?
Bei seiner Recherche nach Möglichkeiten, den Titel trotz des kleinen „Handicaps“ zu erwerben, stieß Srajbr auf die SLV Nord, wo man ihm schnell eine Lösung vorschlug: Warum nicht die für ihn heiklen Schweißprozesse einfach in der Virtuellen Schweißwerkstatt absolvieren – mit realitätsgetreuer Simulation und ganz ohne Magnetfeld? „Ich spürte bei der SLV Nord sofort Offenheit, besondere Wege zu gehen“, sagt Srajbr. „Alle noch nötigen Formalitäten wurden in einem schnellen, schlanken Prozess geklärt.“ Damit spielt er darauf an, dass zunächst noch die offizielle Zustimmung des Hauptprüfungs- und -zertifizierungsausschusses des DVS e.V. eingeholt werden musste. Denn dieser regelt genau, wie hoch der virtuelle Anteil der Schweißausbildung sein darf.
Echtzeit-Feedback statt Bleche bürsten
Der HZA gab glücklicherweise sein „Go“, und so schweißt Srajbr nun elektrisch rein virtuell – aber wie fühlt sich das für ihn an? „Ich habe auf jeden Fall das Gefühl, einen tiefen Einblick zu gewinnen“, erzählt er. „Auch am virtuellen Gerät bekommt man ein gutes Verständnis für die Schweißer – dafür, wie anstrengend es sein kann, die Elektrode dauerhaft korrekt zu halten, und welches Feingefühl man dafür benötigt. Die Technik der Virtual Reality und des direkten Feedbacks, das man beim Schweißen erhält, ist beeindruckend.“ Und der 34-Jährige sieht sogar noch einen weiteren Vorteil: „In der Werkstatt wäre ich auch viel mit dem Drumherum beschäftigt, müsste Bleche zubereiten und abbürsten, Elektroden holen, Schlacke entfernen. Hier kann ich mich direkt auf das Schweißen selbst konzentrieren.“
Bei den Live-Schweißvorführungen, die ebenfalls Teil des SFI-Schweißpraktikums sind, lässt es sich Srajbr nicht nehmen, direkt dabei zu sein – er steht dann eben etwas weiter entfernt als die anderen Teilnehmenden. Schließlich wird er das auch in seiner beruflichen Zukunft immer wieder müssen: „Ich kann zwar nie einem Schweißer direkt bei der Arbeit über die Schulter gucken“, sagt er, „bin aber trotzdem sicher, dass ich die Anforderungen an eine Schweißaufsichtsperson gut erfüllen werde – auch mit kleinem Abstand.“