Silofahrzeuge, Roboterprogrammierung und Nanopflaster: Das war die 21. Tagung Schweißen
Vom Blech zum LKW: In den Produktionshallen von Feldbinder
Hierbei hatten die Teilnehmer die einmalige Gelegenheit, den gesamten Fertigungsprozess vom blanken Aluminiumblech bis zum fertigen Silofahrzeug nachzuvollziehen. Aus nächster Nähe lernten die Gäste hochkomplexe Schweißanlagen kennen, mit denen das Unternehmen den speziellen Erfordernissen des Druckbehälterbaus begegnet, so zum Beispiel die bei der Längsnaht-Verschweißung eingesetzte Friction-Stir-Welding-Maschine oder die „Master-Slave-Slave“-Kombination, die es ermöglicht, drei Rundnähte von jeweils 8 m Länge gleichzeitig zu ziehen. Die Teilnehmer erfuhren, wie automatisiertes und Von-Hand-Schweißen sich in den zahlreichen Arbeitsschritten auf dem Weg zum fertigen Fahrzeug optimal ergänzen und hörten dabei manch Anekdote aus dem Alltagsgeschäft des seit fast 50 Jahren tätigen deutschen Familienunternehmens.
Abendessen über dem erleuchteten Hafen
Nach viel Input und langen Fußmärschen über das weitläufige Werksgelände ging es per Bus zurück in die Hansestadt, wo wohlverdiente Stärkung wartete: Der Begrüßungsabend fand dieses Jahr erstmals nicht in der Rickmer Rickmers sondern hoch über Schiffen und Kränen statt – in der Elbkuppel des Hotel Hafen Hamburg. Bei Buffet, kühlen Getränken und Blick über das atemberaubende erleuchtete Hafenpanorama bot der Abend eine von den Gästen lebhaft genutzte Gelegenheit zum persönlichen Austausch, Fachsimpeln und Knüpfen von Kontakten.
Geteiltes Schmelzbad: Schweißer kommunizieren per Klopfzeichen
Am folgenden Vortragstag erfuhr das Exkursionsthema noch einmal eine fachliche Vertiefung: Christoph Nentwig von Feldbinder erläuterte eindrücklich die großen Herausforderungen, denen der Druckbehälterbau gegenübersteht: Die Fahrzeuge sollen leicht sein, größtmögliches Volumen transportieren und eine möglichst lange Lebensdauer haben. Besonders hohe Ansprüche werden zudem an die Qualität der Innenwände gestellt: Da das rieselförmige Gut, ob Baustoff, Lebens- oder Futtermittel, den Silobehälter rückstandslos wieder verlassen muss, dürfen hier keine Schweißnahtwurzeln hervorstehen. Die geforderte Glätte erzielt Feldbinder zum einen durch das Friction-Stir-Welding, zum anderen durch Gegenschweißen auf der Innenseite der Druckbehälter. Handfertigkeiten wie auch eingeübtes Zusammenspiel der Schweißer werden indes beim synchronen WIG-Schweißen der Stumpfnähte auf eindrückliche Weise herausgefordert: Zwei Schweißer schweißen hierbei gleichzeitig an Außen- und Innenseite im selben Schmelzbad – die Verständigung geschieht per Klopfzeichen.
„Der Markt ändert sich, doch die Norm leider nicht!“ – so lautete das Fazit des zweiten Vortrags des ersten Themenblocks „Herausforderungen für die Zukunft“. Daniel Strötgen von Tata Steel erläuterte die verschiedenen aktuellen Herstellungsverfahren von Hohlprofilen, deren Einsatzgebiete von Achsen in Fahrgestellen bis hin zu Flughafendächern reichen. Die verschiedenen Fertigungsprozesse könnten zu mannigfachen geometrischen, metallurgischen und mechanischen Eigenschaften führen, so der Experte – die Norm EN 10210 für warmgefertigte Hohlprofile spiegle diesen technischen Fortschritt allerdings nicht wider. Die Richtlinie bliebe in vielen Bereichen vage, was es Anwendern oft schwer mache, die konkreten technischen Eigenschaften ihres Produkts einzuschätzen. Strötgens Tipp daher: Um keine bösen Überraschungen zu erleben, lieber einmal mehr beim Hersteller nachfragen und sich genau mit dessen Produktionsverfahren vertraut machen!
Laser-Hybridschweißen: Magnetkraft hält Schmelze fest
Das Thema Schweißen dickwandiger Stähle eröffnete nach kurzer Kaffeepause den Block „Praktische Anwendungen und Erfahrungen“. Dr.-Ing. Christian Brunner-Schwer von der WeldNova GmbH an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung stellte das Laser-Hybridschweißen als ein Hochleistungsschweißverfahren vor, das sich z. B. durch hohe Eindringtiefe und geringen Verzug auszeichnet. Ein Problem allerdings: Die Schmelze tropft leicht nach unten aus, sobald die Schwerkraft höher ist als die Oberflächenspannung des Tropfens. Hier präsentierte Brunner-Schwer die elektromagnetische Schweißbadsicherung als innovative Lösung: Ein oszillierendes Magnetfeld, orthogonal zur Schweißrichtung induziert Wirbelströme parallel zur Schweißrichtung, sodass die dadurch generierte nach oben zeigende Lorentzkraft dem hydrostatischen Druck entgegenwirkt und das Austropfen verhindert. Unter Einsatz dieser Technik sei das Laser-Hybridschweißen ein für dicke Bleche ausgezeichnet geeignetes Verfahren – bei der Herstellung von Windtürmen führe es z. B. zu 8x höherer Produktivität, 90% weniger Kosten und 15x weniger CO2-Emissionen.
Einen Ausflug in völlig andere Materialwelten – Kunststoff! – bedeutete der darauffolgende Vortrag von Julian Backes von der Georg Fischer GmbH. Backes stellte die gängigen schweißbaren Kunststoffe vor, die in Rohrleitungssystemen von Schiffen verwendet werden – Polybuten (PB), Polyehtylen (PE) und Polypropylen (PP) – und erläuterte die hierbei relevanten Schweißverfahren Muffenschweißen, Stumpfschweißen und Elektroschweißen. Warum Kunststoff statt Metall? Hierfür spreche vieles, wie Backes nachdrücklich betonte: Zum einen hielten Kunststoffrohre dank ihrer Korrosionsbeständigkeit trotz der aggressiven Umweltbedingungen im maritimen Umfeld ein ganzes Schiffsleben lang. Zum anderen führe ihr geringes Gewicht zu einer besseren Energieeffizienz, und schließlich seien Kunststoffrohre durch ihre Flexibilität in der Lage, sich an verschiedene Konstruktionsanforderungen anzupassen und Bewegungen der Schiffskörper auszugleichen.
Von Kunststoff führte hierauf ein Themensprung zu Schweißrobotern und deren effizienter Handhabung: Leo Bartevyan von der Cenit AG stellte die deutliche Überlegenheit moderner Offline-Programmierung gegenüber dem klassischen „Teach-In“-Verfahren dar. Während es früher üblich war, dass Schweißroboter während der Programmierung nicht produzieren konnten und zugleich ihr Bediener für andere Aufgaben ausfiel, ermöglicht die Offline-Programmierung, ein Programm aus Konstruktionsdaten zu erstellen und erst später auf den Roboter zu übertragen. Das Bediener-Training kann damit schon vor Anlieferung und Inbetriebnahme des Roboters stattfinden, auch Roboterbewegungen und -programme können im Vorfeld virtuell getestet werden. Nach einem Überblick über das beeindruckende Leistungsspektrum heutiger Schweißroboter schloss Bartevyan mit einem Appell an jeden, der Roboter einsetzt: Unbedingt nach einem digitalen Zwilling der Anlage fragen und auch bei Bestandsanlagen regelmäßig die Optimierungsmöglichkeiten prüfen.
Kampf gegen die Kilos – zentrales Thema im Schiffbau
Eine Premiere bedeutete der das Nachmittagsprogramm eröffnende Vortrag: Uriel Elliesen von der Photon Laser Manufacturing GmbH stellte erstmals die modulare Fertigung sequenzierter bionischer XL-Leitbaustrukturen („MobiXL“) als neues, innovatives Konstruktionsprinzip für nichtlineare Versteifungsstrukturen dar. Topologieoptimierte Strukturen werden dabei in gleichartige lineare Abschnitte zerteilt, sodass dreidimensionale Lastpfade aus einzelnen Modulen gebildet werden können. Das Verfahren ermögliche, so Elliesen, eine sehr leichte Bauweise und hohe Individualisierungsgrade bei gleichzeitig kurzen Produktionszeiten und geringen Kosten und könne somit auch dem Schiffbau großen Nutzen bringen.
Um möglichst reduzierten Materialeinsatz für einen verringerten Kraftstoffverbrauch und eine reduzierte Abgabe von Treibhausgasen ging es auch bei Carl Rupp von der TU Hamburg. Sein Ansatz: die Strukturoptimierung. Ziel dieses Verfahrens ist die Minimierung des Eigengewichts eines Bauteils bei Beibehaltung derselben Festigkeit. In seinem Vortrag erläuterte Rupp unter anderem detailliert das Prinzip der Partikelschwarmoptimierung und stellte eine Methode vor, die es ermöglicht, Fertigungsprozesse automatisierter Roboteranlagen in Strukturoptimierungen einzubeziehen.
Den Block „Entwicklungen in der Verfahrenstechnologie“ beschloss Uwe Mückenheim mit einem Forschungsprojekt der SLV Halle und der ISF Aachen zu der Frage: Inwieweit können Hochleistungsschweißverfahren zwecks Einsparung von Produktionskosten noch weiterentwickelt werden? Am Beispiel der Neufertigung des Stahlrohrturms einer Windenergieanlage wurden vier Hochleistungsschweißprozesse untersucht und ihre jeweiligen Potenziale, aber auch Grenzen gegenübergestellt: Laserstrahl-Tandem-Unterpulver Hybridschweißen (LUPuS Tandem), Plasma-Heißdraht-Unterpulverschweißen, Laserstrahl-MSG-Schweißen mit einem leistungsstarken Diodenlaser und ein rotierender Hochleistungslichtbogen unter Verwendung von CO2 (MAGr mit CO2).
Es ist nie zu spät: Optimierungen nach dem Schweißen
Die letzten zwei Themen standen unter der Überschrift „Optimierungen nach dem Schweißen“. Prof. Dr.-Ing. Marcus Rutner von der TU Hamburg sprach hier ein ernstes Problem an: Überall schießen derzeit Windenergieanlagen aus dem Boden, doch ihre Lebensdauer beträgt nur 25 Jahre! Danach machen Ermüdungserscheinungen und zusätzlich auftretende Korrosion eine Demontage erforderlich. Die Zeit drängt also, ein Verfahren zu finden, Schweißverbindungen, die hiervon besonders betroffen sind, besser zu schützen. Als Lösung präsentierte Rutner „Nanopflaster“ – d. h. nanostrukturierte metallische Multilayer, die auf die fertigen Schweißnähte appliziert werden. Ihr Durchmesser beträgt nur ein Zehntel eines menschlichen Haares, doch ihre Wirkung ist immens, wie Rutner eindrücklich zeigte: Durch seine hervorragenden Materialeigenschaften wirkt das Nanolaminat wie ein Korsett auf den Stahl und kann sowohl die Rissinitiierung als auch den Rissfortschritt signifikant verzögern. Gleiches gilt für die Korrosion. Könnte ein Monopfahl damit also zukünftig 160 Jahre lang stehen?
„Thermisches Richten – keine schwarze Magie mit der richtigen Theorie!“ – so lautete der letzte Vortrag der zwei Tage geballten Fachwissens. Thomas Vauderwange von der VauQuadrat GmbH sprach sich hierbei gegen den von ihm beobachteten Trend zum Kaltrichten von Schweißverzug aus, der oft der Angst geschuldet sei, beim Richten per Flamme das Material zu schädigen. Anhand einer ausführlichen wissenschaftlichen Betrachtung der Wirkprinzipien des thermischen Richtens machte er deutlich, dass es sich hierbei um einen verlässlichen, berechenbaren Prozess handelt, und gab zahlreiche praktische Hinweise zur richtigen Durchführung.
Wir bedanken uns bei allen Referenten ganz herzlich für die Informationsfülle ihrer Vorträge, die kurzweiligen Präsentationen sowie die anschaulichen Videos und Bilder. Auch den Teilnehmer:innen gilt unser Dank, die die Tagung durch ihre zahlreichen interessierten Nachfragen auch dieses Jahr wieder zu einem lebendigen Ort des Austauschs werden ließen. Wir freuen uns bereits auf die 22. Tagung, deren Termin Sie sich gern bereits einmal im Kalender markieren dürfen: 13./14. Mai 2025, wie gewohnt im Hotel Hafen Hamburg! Über Vortragsvorschläge oder auch Ideen für spannende Exkursionsziele freuen wir uns – schreiben Sie uns gern an tagungsbuero@slv-nord.de