Mechanische Blindenhunde, Laser und digitale Stromquellen: 36. Schweißtechnisches Kolloquium an der HAW Hamburg
Blindenhunde und MeRItec: Roboter-Forschungsprojekte der HAW
Nach Grußworten des Vorsitzenden des DVS-Bezirksverbands Hamburg Matthias Huke und des stellvertretenden Departmentleiters Maschinenbau und Produktion der HAW Hamburg Prof. Dr. Friedrich Ohlendorf startete das Programm direkt mit zwei spannenden Forschungsprojekten der HAW Hamburg aus der Robotertechnik: Bhavinkumar Patel stellte „autonom fahrende Blindenhunde“ vor, die durch die Nutzung von Kartendaten sicher über Gehwege navigieren und dabei in der Lage sind, per Kamera und Distanzsensor unvorhergesehene Hindernisse wie Mülltonnen, Baugeräte oder parkende E-Roller zu erkennen und zu umfahren. Den aktuellen Stand der Robotertechnik übertrug Prof. Dr. Shahram Sheikhi im Anschluss hieran auf die Schweißtechnik. Im Rahmen des Forschungsprojektes MerRItec wurde an der HAW ein Schweißroboter entwickelt, der sich ohne jegliche Programmierkenntnisse allein durch Handbewegungen steuern lässt: Bis zu 50 Meter entfernt vom Schweißvorgang führt der Bediener mit einem Stift Schweißbewegungen aus, die in Echtzeit an den Roboter übertragen werden. Die Technik, mit der MSG- und E-Hand-Schweißen von Blechen und Rohren sowie Schleifen und Bürsten möglich ist, könne, so Sheikhi, von großer Bedeutung sein, um Schweißern bei gesundheitlichen Problemen ein Weiterarbeiten in ihrem Beruf zu ermöglichen.

Schweißrauch-Reduktion: STOP-Prinzip und Absaugbrenner
Wie lassen sich Gesundheitsgefahren durch eine Reduktion der ausgestoßenen Schweißrauche verringern? Diese Frage stand im Fokus der beiden folgenden Vorträge. Frank Steller vom Gasproduzenten Linde betonte hierzu sowohl den im Arbeitsschutzgesetz verankerten Grundsatz „Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen“ als auch das STOP-Prinzip, das, enthalten in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS), Arbeitgebern zwingend eine Rangfolge der Schutzmaßnahmen vorgibt: 1. Substitution – 2. Technische Maßnahmen (z. B. Lüftung) – 3. Organisatorische Maßnahmen (z. B. Schulungen) – 4. Persönliche Maßnahmen (Schutzausrüstung). Steller konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die bevorzugt durchzuführende, in der Praxis aber oft vernachlässigte Substitution und berichtete von Versuchen, bei denen beim MAG-Schweißen das Prozessgas durch ein Argon-reicheres und CO2-ärmeres ersetzt wurde, der Fülldraht durch einen nahtlosen Rutilfülldraht und der Sprühlichtbogen durch einen Impulslichtbogen. Alle Maßnahmen erwiesen sich als erfolgreich – am effektivsten allerdings in Kombination.

Einen anderen Ansatzpunkt präsentierte Juliane Pazer von DINSE – Brenner mit integrierter Rauchabsaugung, die gegenüber der klassischen Absaughaube den Vorteil bieten, Emissionen direkt an ihrer Entstehungsstelle zu erfassen, nicht erst oberhalb des Kopfes des Schweißenden. Pazer untersuchte in ihrer Masterarbeit an der HAW Hamburg Qualitätskriterien zur Bewertung verschiedener Absaugbrenner, vom Mindestluftvolumenstrom über den Erfassungsgrad, die Schutzgasabdeckung und Nahtqualität bis hin zum Gewicht. Ihr Fazit: Absaugbrenner können Schweißrauche signifikant verringern – wünschenswert sei jedoch eine noch bessere Vergleichbarkeit ihrer Leistung, z.B. durch mehr Transparenz zu Versuchen der Hersteller und mit einheitlichen, in Normen aufgenommenen Schweißparametern durchgeführte Tests zu praxisnahen Anwendungsfällen.

Handgeführtes Laserstrahlschweißen: Gefahren durch Blau- und UV-Licht
Die Abwendung von Gesundheitsgefahren blieb auch beim nächsten Vortrag vorherrschendes Thema: Wie lässt sich handgeführtes Laserstrahlschweißen sicher in der Praxis einsetzen? Marten Schmitz vom Günter-Köhler-Institut für Fügetechnik und Werkstoffprüfung stellte eindrücklich heraus, was Laserlicht so leistungsstark, aber auch gefährlich macht: Es strahlt mit nur einer Farbe in eine Richtung und ist eine Million Mal stärker bündelbar als Sonnenlicht, wodurch es in der Lage ist, Metall über die Schmelztemperatur hinaus zu bringen und zu verdampfen. Da alle Laser, die zum handgeführten Schweißen verwendet werden, Laserklasse 4 angehören – d.h. nicht nur ihre direkte sondern auch reflektierte Strahlung ist für Haut wie auch Augen gefährlich – sind maximale Schutzmaßnahmen unabdingbar. Diese erläuterte Schmitz ausführlich, von Laserschutzkabinen mit Schlüsselschaltern und Interlock-Kreisen zur Zugangsüberwachung über die regelmäßige Schulung und ärztliche Untersuchung der Mitarbeiter bis hin zu den Spezifikationen, die Schutzbrillen erfüllen müssen

3D-Druck: Stabiler Lagenaufbau und Hochleistungs-Thermalkameras
Nach der Mittagspause eröffnete sich den Zuhörern eine komplett andere Themenwelt: Additive Fertigung, auch genannt 3D-Druck. Martin Juhn von Fronius Deutschland beschrieb zunächst die vielfältigen Einsatzgebiete des vom Schweißen abstammenden Verfahrens, wie etwa die Herstellung von Bau- bzw. Ersatzteilen für Militär, Eisenbahn-, Flugzeug- und Raketenbau, um im Anschluss die Besonderheiten des CMT-Prozesses zu erläutern. Das Verfahren zeichne sich durch eine sehr hohe Wiederholgenauigkeit aus, besonders unter der Anwendung eines Abschmelzratenstabilisators, der durch eine hohe Konstanz des Drahtvorschubs einen besonders einheitlichen Lagenaufbau ermögliche, kombiniert mit einer individuellen Einstellung der Wärmezufuhr.
Da beim 3D-Druck das Thema Wärmeüberwachung von zentraler Bedeutung ist, widmete sich im Anschluss ein eigener Vortrag dem aktuellen Stand der Technik bei Thermalkameras. Carsten Gerau von Xiris Automation zeigte auf, wie heutige Kamerasysteme zum Zweck der direkten Prozesskontrolle wie auch der Dokumentation eine immense Datenvielfalt generieren. Sie sind nicht nur in der Lage, exakt darzustellen, welche Temperatur zu welcher Zeit an welcher Stelle des Bauteils herrscht, sondern können darüber hinaus direkt auswerten, ob an irgendeinem Ort Grenzwerte überschritten werden, Abkühlzeiten zu gegebenen Temperaturintervallen bestimmen und durch künstliche Intelligenz flüssige Bereiche erkennen.

ISO 3834 – „Vom Mauerblümchen zum Superstar“
Nach diesen eindrücklichen Einblicken in zukunftsweisende Techniken startete der letzte Vortragsblock mit dem Thema Normierung. Matthias Huke, ehemals TÜV NORD, hob die Bedeutung der ISO 3834 hervor, indem er Normen verschiedener Branchen betrachtete, z. B. die EN 1090 (Stahlbau), EN 15085 (Eisenbahnbau), DIN 2303 (Wehrtechnik), AD 2000 (Druckgeräte) und GW 330 (Rohrleitungsbau). Auch wenn keines dieser Regelwerke eine Zertifizierung nach ISO 3834 verlange, so sein Fazit, werde doch überall auf die Norm verwiesen und ihre Einhaltung gefordert, was die große Bedeutung der ISO 3834 als „Mutter“ aller anderen schweißtechnischen Qualitätssicherungsnormen unterstreiche.

Digitale Schweißstromquellen zur Datenüberwachung nutzen
Die Veranstaltung schloss mit einem erneut zukunftsgewandten Thema: Jan Pitzer von PiWeCo regte die Zuhörer dazu an, das Potenzial digitaler Schweißstromquellen zu entdecken und auszuschöpfen. So seien Schweißstromquellen nach dem neuesten Stand der Technik dazu imstande, sämtliche Schweißdaten eines Schweißprozesses mitzuschreiben und zum Beispiel bei Risikosignalen Warnzeichen abzugeben. Für Schweißaufsichtspersonen ergäben sich hiermit neue Möglichkeiten der Überwachung und Auswertung von Schweißvorgängen, auch bei der Prüfung von Schweißern könnte die Technik eingesetzt werden. Viele Betriebe nutzten derzeit nicht alle Funktionen ihrer Stromquellen aus, so Pitzer – da Digitalisierung ein Thema sei, an dem niemand vorbeikäme, sei das Gebot der Stunde jedoch, mit Mut zur Veränderung auszuprobieren, von welchen Aspekten der Digitalisierung der eigene Betrieb profitieren könne.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Referent:innen für ihr Engagement, die spannenden Themen und kurzweiligen Vorträge, sowie bei den Teilnehmer:innen für die interessanten Diskussionsbeiträge und den lebhaften persönlichen Erfahrungsaustausch. Save the date: Das 37. Schweißtechnische Kolloquium findet am 24. Februar 2026 statt. Gemeinsam mit unseren Co-Veranstaltern DVS-Bezirksverband Hamburg und HAW Hamburg freuen wir, die SLV Nord, uns schon jetzt auf eine ebenso inspirierende wie gut besuchte Veranstaltung. Senden Sie Ihre Vortragsvorschläge gerne an bv.hamburg@dvs-hs.de.