Ein strahlendes Jubiläum – 20. Tagung Schweißen in der maritimen Technik und im Ingenieurbau
Spaziergang durch den Brückenbauch
Die Tagung startete direkt mit ihrem Jubiläums-Highlight – der Exkursion in den Stahlhohlkasten der Köhlbrandbrücke: Von der Überseebrücke brachte eine Barkasse die Gäste zum Anleger Neuhof, wo es erst einmal sportlich wurde: Rund 45 Meter Höhe waren innerhalb eines Pylons per Treppe zu erklimmen. Wer auf diesem Weg den „Bauch“ der Brücke erreicht hatte, wurde mit einer nicht alltäglichen Erfahrung belohnt: Ein Spaziergang direkt unter der Fahrbahn im dröhnenden und unter der Fahrzeug-Last schwingenden Hohlkasten – hinzukommend für Schwindelfreie ein Gang über die Metallgitter der „Aussichtsplattform“ mit spektakulärem Blick auf Elbe und Hafen. Dazu präsentierte die Hamburg Port Authority den Teilnehmern in der Brücke wie auch am Boden Wissenswertes rund um das spektakuläre Bauwerk – zu seiner Entstehung, zur Nutzung, der laufenden Überwachung und Instandhaltung.
Viel zu lachen gab es sowohl für Nichthamburger als auch Hamburger auf der Rückfahrt – diese führte vorbei an Container-Riesen, Werften, der „Elphi“ und anderen Hafen-Sehenswürdigkeiten, präsentiert mit einer großen Portion hanseatischem Humor vom Barkassenführer.
Begrüßungsabend mit Staffelstab
Ein Sektempfang vor dem Bug der Rickmer Rickmers bildete den feierlichen Auftakt zum Begrüßungsabend im Inneren des Museumsschiffes – ein Abend großer Emotionen: Sven Noack blickte auf die lange Tradition der Veranstaltung zurück und gab seiner Freude darüber Ausdruck, diese über fast ein Jahrzehnt als Vorsitzender des Tagungskomitees begleitet zu haben. Symbolisch übergab er den Staffelstab an Armin Schlieter, Geschäftsführer der SLV Nord, als seinen Nachfolger. Dieser dankte Herrn Noack für seine hervorragende Arbeit und sprach seine Glückwünsche zu dem langjährigen erfolgreichen Bestehen der Veranstaltung aus. Ihm schloss sich Prof. Dr.-Ing. Lutz Müller, ehemaliger Vorsitzender des bisherigen DVS-Landesverbands Hamburg/Schleswig-Holstein, Co-Veranstalter der Tagung, an, ebenso wie ihr eigentlicher „Gründervater“: Dr.-Ing. Bernhard Richter, langjähriger Direktor des Germanischen Lloyd, der die Veranstaltung vor über 20 Jahren ins Leben rief.
Wenn Schwimmkräne an ihre Grenzen stoßen
Die Elbkuppel des Hotel Hafen Hamburg mit ihrem Panoramablick bot am Folgetag die Bühne für die Fachvorträge. Nach Begrüßungsworten von Sven Noack sprach Dirk Bennje, Leiter der Sparte Technical Division der Hamburg Port Authority ein Grußwort, in dem er die Verbundenheit der HPA mit der Tagung betonte – schon mehrmals war sie Gastgeber bei den Exkursionen. Es folgte ein informativer Einblick in den Neubau der Kattwykbrücke von HPA-Projektleiter Jan Bünning. Nach sechs Jahren Bauzeit wurde die neue Kattwykbrücke 2020 in Betrieb genommen und entlastet seither die alte, 1973 gebaute Brücke, indem sie ihr den Zugverkehr abnimmt. Bünning zeigte eindrücklich die Herausforderungen des Baus – z. B. das Setzen der Strompfeiler mitten in die Elbe oder die Höhe der Brücke: Mit herkömmlichen Hamburger Schwimmkränen war die Montage nicht zu bewältigen.
Um „saubere Luft“ beim Schweißen drehte sich der zweite Vortrag des ersten Themenkomplexes „Herausforderungen für die Zukunft“: Peter Lindner von der TEKA Absaug- und Entsorgungstechnologie GmbH ging detailliert auf die aktuellen Bestimmungen zum Arbeitsschutz ein und beschrieb Vor- und Nachteile verschiedener Absaugungstechniken.
Kein Spachteln dank Laserstrahlschweißen
Der zweite Block „Praktische Anwendungen und Erfahrungen“ ließ die Zuhörer tief in die Technik des Schiffsbaus eintauchen. Dr.-Ing. Jörg de Payrebrune (Abeking & Rasmussen Schiffs- und Yachtwerft SE) und Holger Alder (Photon Laser Manufacturing GmbH) zeigten, wie der Einsatz von Laserstrahlschweißen an dreidimensionalen Außenhaut-Kühlpaneelen von Kreuzfahrtschiffen zu glatteren Außenhäuten führt, sodass kostenintensive anschließende Arbeiten wie thermisches Richten und Spachteln minimiert werden können. Welche zukunftsweisenden Schweißverfahren auf der MEYER WERFT eingesetzt werden, schilderte Dr.-Ing. Richard Banaschik und stellte dabei vor allem das Laserhybridschweißen als besonders effektive und bewährte Technik vor. Um Windkraftanlagen hingegen drehte sich alles bei Dr.-Ing. Stephan Brauser (Salzgitter Mannesmann Renewables GmbH) und Dr.-Ing. Andreas Pittner (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung). Sie beschrieben, wie Stahlrohrknoten für Offshore Wind Jackets vollmechanisiert geschweißt werden können. Die besondere Herausforderung liegt hierbei in komplexen Geometrien bei gleichzeitig hohen Wandstärken, großen Abmessungen und hohen Bauteilgewichten.
Sind hochfeste Baustähle flammrichtbar?
Das Nachmittagsprogramm begann Prof. Dr.-Ing. habil. Jochen Schuster von der SLV Halle GmbH. Bei seinem Thema „Schweißeignung von modernen und historischen unlegierten Baustählen“ stellte er zunächst den Unterschied von „Schweißbarkeit“ und „Schweißeignung“ heraus und zeigte dann auf, mit welchen Werkstoffprüfverfahren die Schweißeignung anhand von Labor- und Vorortuntersuchungen sicher nachgewiesen werden kann, und wie man Prüfergebnisse sachgerecht interpretiert. Sind auch hochfeste Baustähle flammrichtbar? Dieser Frage widmete sich im Anschluss Dr.-Ing. Jörg Vogelsang von der GSI mbH, SLV Duisburg. Er berichtete von entsprechenden Versuchen mit den Stählen S960 QL und S1100 QL – anhand von zerstörenden Werkstoffprüfungen sowie Photogrammetriemessungen konnte gezeigt werden, dass das Verfahren erfolgreich anwendbar ist, ohne die mechanisch-technologischen Eigenschaften der Stähle zu beeinträchtigen. Den Themenblock „Verfahrenstechnologische Werkstoffaspekte“ beschloss Alois Plozner von der voestalpine Böhler Welding Group GmbH. Er beschrieb die speziellen Herausforderungen beim Schweißen von LNG-Tanks – Behälter für verflüssigtes Erdgas, die extrem kälteresistent sein müssen. Plozner schilderte insbesondere die Vorteile des Einsatzes innovativer Grund- und Schweißzusatzwerkstoffe für diesen Zweck.
Funktionalität vor Nullfehler-Anspruch
Im abschließenden Themenblock „Qualitätsmanagement und Sicherheit“ plädierte Prof. Dr.-Ing. Michael Volz von der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt dafür, bei der Bewertung von Nichtkonformitäten im Stahlbau statt einer strikten Nullfehlertoleranz die konkrete Funktionalität des betroffenen Bauteils in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu gab er Empfehlungen zur konstruktiven Zusammenarbeit der verschiedenen an einem Stahlbauprojekt beteiligten Parteien mit dem Ziel, die Qualität des Projekts zu sichern, dabei aber auch Streitigkeiten und unnötige Baustopps zu vermeiden. Wichtig sei hierfür z. B. eine kompetente, verantwortungsvolle Überwachungsstelle. Den Abschluss bildete Rainer Trillmich von der Bolte GmbH mit einem Vortrag über die Qualitätssicherung beim Bolzenschweißen. Bei diesem automatischen Schweißprozess müssen Strom, Spannung und Bolzenbewegung genau aufeinander abgestimmt werden, damit nicht zum Beispiel der Fehler des „kalten Eintauchens“ eintritt. Moderne Bolzenschweißgeräte mit Strom- und Bewegungsüberwachung sind jedoch in der Lage, jede Abweichung der Werte direkt zu registrieren, und ermöglichen so ein rechtzeitiges Erkennen von Mängeln.
Wir blicken zurück auf ein gelungenes Tagungsjubiläum und bedanken uns ganz herzlich bei allen Referenten für ihre hervorragenden Vorträge sowie bei den Unternehmen der tagungsbegleitenden Fachausstellung. Unser Dank gilt weiterhin – auch im Namen der Mitveranstalter Schiffbautechnische Gesellschaft e. V. und ehem. DVS-Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein – der HPA für die Ermöglichung der Begehung der Köhlbrandbrücke, den Medienpartnern und natürlich allen Teilnehmer:innen, die die Tagung wieder einmal zu einem lebhaften und fruchtbaren Ort des fachlichen Austauschs werden ließen.
Wir freuen uns schon jetzt auf die 21. Tagung am 24./25. April 2024. Merken Sie sich den Termin doch schon einmal vor!