Altehrwürdig – aber schweißgeeignet? Altstahluntersuchungen an der SLV Nord

Alte Markthallendächer, 100-jährige Brücken, historische Bahnhöfe und Spundwände – Bauten wie diese haben zweifellos ihren ganz eigenen Charme. Doch geht es um ihre Sanierung, kann es schnell kompliziert werden. Denn durch hohe Konzentrationen an Schwefel und Phosphor sind so genannte Altstähle (Stähle aus heute nicht mehr gültigen Werkstoffnormen) oft zu spröde, als dass Schweißnähte an ihnen gesetzt werden könnten, ohne bereits nach kurzer Zeit Risse zu bilden. Während bei modernen Bauten etwa im Fall von Rost problemlos lediglich die betroffene Stelle entnommen und eine Prothese eingeschweißt werden kann, muss bei alten Gebäuden somit oft das komplette Profil ausgetauscht werden. Schweißgeeignet oder nicht? – eine wichtige Entscheidung also, die nicht leichtfertig getroffen werden darf. Im akkreditierten Prüflabor der SLV Nord landen regelmäßig Materialproben von diversen altehrwürdigen Sanierungsobjekten aus dem gesamten norddeutschen Raum, um detailliert auf ihre Schweißeignung hin untersucht zu werden.

Die Schwachstellen: nichtmetallische Einschlüsse

"Eine sehr wichtige Prüfung, die wir bei derartigen Altstahluntersuchungen durchführen, ist die Funkenemissions-Spektroskopie", erklärt Benjamin Wagner, Leiter der SLV Nord Werkstofftechnik. "Diese chemische Analyse, bei der wir uns das Lichtspektrum genau ansehen, das die einzelnen Elemente bei Erhitzung aussenden, ermöglicht uns, die exakte Konzentration von Schwefel und Phosphor im Stahl festzustellen und im Anschluss mit Grenzwerten zu vergleichen." Wie sich der Schwefel innerhalb des Materials verteilt, zeigt hingegen ein Baumannabdruck: Hierbei wird die Probe auf in Schwefelsäure getränktes Fotopapier gepresst – durch chemische Reaktionen werden Schwefelkonzentrationen dabei als dunkle Flecken auf diesem sichtbar.

Noch detailliertere Informationen über das Vorhandensein und die genaue Lage nichtmetallischer Einschlüsse verschiedener Art gewinnen die Kollegen durch Methoden der Metallographie. Beim Blick durch das Mikroskop auf den polierten Proben-Querschnitt erscheinen derartige Schwachstellen des Materials deutlich in schwarzer Farbe. Bei der Beschreibung der Einschlüsse wird dann zwischen Sulfiden, Oxiden oder auch reinem Kohlenstoff in Form von Graphit unterschieden.

Um auch den metallischen Gefügeaufbau sichtbar zu machen, wird die Probe anschließend auch noch einmal mit Säure angeätzt durch das Mikroskop betrachtet. Nun zeigt die Vergrößerung entweder ein harmonisches Muster, oder aber Unregelmäßigkeiten. Letztere können darauf hinweisen, dass der Stahl bereits einmal durch bestimmte äußere Einflüsse in Mitleidenschaft gezogen wurde – Schiffskollisionen oder Brände können zum Beispiel dahinterstecken.

Materialproben sollten DIN A 5-Größe haben

Doch auch wie es um die tatsächliche Belastbarkeit des Stahls bestellt ist, also seine Festigkeit und Verformbarkeit, ist natürlich Teil der Prüfung. Hierzu wird die Probe einem Zugversuch unterzogen. "Wenn wir genügend Material zur Verfügung haben, führen wir diesen ebenfalls in Dickenrichtung durch", erklärt Wagner, "und lassen auch gleich noch einen Kerbschlagbiegeversuch folgen, der uns zeigt, wie der Stahl auf schlagartige Beanspruchung reagiert".

Damit spricht er ein häufiges Problem bei der Altstahluntersuchung an: überhaupt ausreichend große Probestücke zu erhalten, um alle Prüfungen, die sinnvoll wären, auch tatsächlich durchführen zu können. Eigentlich würden hierfür Proben in DIN A 5-Größe benötigt, aus statischen Gründen dürfen jedoch oft nur wenige Zentimeter aus den Bauten entnommen werden. "Je kleiner die Probe, desto wichtiger ist dann, dass diese zumindest kalt herausgetrennt wurde", betont Wagner. "Ein Schneidbrenner hinterlässt z. B. an den Rändern eine 10 mm breite Zone durch Wärme veränderten Gefüges – dieser gesamte Bereich ist für die Werkstoffprüfung komplett wertlos."

Angesichts der vielen aktuellen Sanierungsprojekte – und insbesondere auch der stark angestiegenen Verkehrslast, der zum Beispiel Brücken unterworfen sind, die noch aus der Kaiserzeit stammen – ist die Altstahluntersuchung ein wachsendes Feld in der Werkstofftechnik, das das Team der SLV Nord auch in Zukunft sehr beschäftigen wird.