Steinzeitbecher, Sargnägel, Schmuckstücke – unser Röntgengerät auf archäologischer Mission

Ein seltener Anblick: Ein steinzeitliches, reich verziertes Tongefäß fährt, sorgsam mit Klebeband fixiert, langsam in die SLV-Röntgenanlage hinein. Die Tür schließt sich und unser Kollege Heinz Marquardt betrachtet aufmerksam das Bild auf dem Monitor – ganz so, als ginge es wie sonst darum, Schweißnähte auf Unregelmäßigkeiten zu untersuchen. Neben ihm steht Dr. Jochen Brandt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Archäologischen Museums Hamburg und Kreisarchäologe für den Landkreis Harburg – und die Spannung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Welche Fragen wird er heute klären können?

Ein Steinzeitbecher wird von den Werkstoffprüfern der SLV Nord geröntgt

Das jungsteinzeitliche Tongefäß wurde vor rund 80 Jahren in den Vierlanden gefunden. Wie damals üblich, wurde es, wo Teile fehlten, mit Gips ergänzt. Ein Blick durch die Röntgenanlage soll zeigen, wo die genaue Grenze zwischen dem Originalmaterial und dem eingefügten Gips verläuft.

Wie rund zweimal im Jahr hat Brandt Fundstücke diverser Ausgrabungen in die SLV Nord gebracht, um diese in unserer leistungsstarken Seifert-x-cube zu durchleuchten. Verborgene Schätze, die bisher in den Archiven des Museums schlummerten – zum Teil unter Gips, zum Teil unter dickem Rost versteckt, und die Frage ist meist dieselbe: Ist im Inneren etwas so Interessantes vorzufinden, dass sich eine Restauration lohnt?

Überraschungspaket – was ist unter dem Gips?

Wie zum Beispiel bei dem seltsam geformten Gipspaket, das jetzt ins Röntgengerät fährt. Es birgt Sargteile, die 2012 auf dem ehemaligen Friedhof des zerstörten Franziskanerklosters in Winsen gefunden wurden. Warum überhaupt der Gips? „Wenn wir bei Ausgrabungen mit Metallsuchsonden Hinweise auf im Erdboden verborgene Eisenteile finden“, erklärt Brandt, „gießen wir die Fundstücke aus reiner Vorsicht mitsamt der sie direkt umgebenden Erdschicht in Gips ein, um eventuell Kostbares nicht zu beschädigen.“ Kein Archäologe hat also jemals den Inhalt des Paketes gesehen – daher nun der Röntgenblick!

Ähnlich verhält es sich mit den Stücken, die Brandt „Tütenobjekte“ nennt. Dies sind stark korrodierte Fundstücke, die in Stickstoff in Plastik eingeschweißt gelagert werden. Marquardt und seine Kollegen haben extra eine Hänge-Vorrichtung gebaut, die erlaubt, die Tüten im Röntgengerät frei zu drehen und von allen Seiten zu betrachten. Wo mit bloßem Auge nur rostige Klumpen zu sehen sind, sollen auch hier die Röntgenstrahlen tiefer blicken.

„Gerade Eisenteile zu restaurieren, ist meist sehr schwierig“, so Brandt. „Daher sind wir froh, dass wir in der SLV Nord so unkompliziert vorab sehen können, ob sich die Mühe überhaupt lohnt. Eine tolle Kooperation, die wir seit vielen Jahren pflegen.“ Nur die wenigsten Museen, so erzählt er, verfügten über ein eigenes Röntgengerät, einige griffen auf Krankenhäuser zurück. Gerade in der Corona-Zeit sicherlich keine so prickelnde Vorstellung. Wir als SLV Nord freuen uns in jedem Fall schon jetzt auf das nächste Mal, wenn unsere Seifert-x-cube wieder in den Dienst der Archäologie treten darf!