Laser-Nähte wie Luffaschwämme, Stahl von Alibaba? Aktuelle Herausforderungen der Werkstoffprüfung

Stähle kommen preiswert aus aller Welt, das Hype-Thema handgeführtes Laserstrahlschweißen zieht derweil Betriebe in seinen Bann und animiert zum wilden "Herumprobieren". Zwei aktuelle Trends, deren Folgen Benjamin Wagner, Leiter der Werkstofftechnik an der SLV Nord, täglich sieht – an den Aufträgen an sein Prüflabor. Im Rahmen der gemeinsamen Veranstaltungen des DVS-BV Hamburg und der SLV Nord gab er am 9. Oktober 2025 unter dem Titel "Werkstoffprüfung – gestern und heute" Einblicke in die alltäglichen Aufgaben des Labors, sowie auch ganz neu hinzugekommene Herausforderungen.

Führung durch das Labor: In diesem Raum werden Makro- und Mikroschliffe hergestellt

Sie heißen "Q235" oder "Q355" – auf den ersten Blick wirken die Bezeichnungen in China hergestellter Stähle fast wie die von EU-Stählen. Doch steht auch dieselbe Qualität dahinter? Wer sich darauf verlässt, ist vor bösen Überraschungen nicht gefeit. Die Qualitätsanforderungen an "S"-Stähle, so Wagner, seien für chinesische Stähle keineswegs bindend. Trotz der vor ein paar Jahren noch meist guten Qualität chinesischen Stahls bekämen Kunden, die z. B. bei "Alibaba" bestellten, so heute "die volle Bandbreite" geliefert, darunter u. U. ungefragte Mischungen verschiedener Stahlprofile oder Stähle, deren Mikroschliffe deutliche Schlacken aufwiesen – Unsauberkeiten, die eigentlich seit den 70er Jahren aus der Stahlerzeugung ausgemerzt sein sollten. Wagners dringender Appell daher: Besser gleich in einen "S"-Stahl investieren, die vermeintlich günstige "Q"-Alternative kann sich am Ende als deutlich teurer herausstellen.

Landen per handgeführtem Laserstrahlschweißen entstandene Nähte unter Wagners Mikroskop, lassen diese währenddessen oft erkennen, dass bei diesem Verfahren schnell Gaseinschlüsse entstehen. "Die Nähte sehen von außen zwar aus wie aus dem Bilderbuch, von innen allerdings oft wie ein Luffaschwamm", demonstrierte er am Beispiel der Mikroskopaufnahmeeiner CrN-Stahl-Naht mit zahlreichen weißen Poren. Die Tatsache, dass der Laserstrahl hin und her pendele, könne zudem einen unregelmäßigen Einbrand verursachen. Betriebe, die sich durch das scheinbar spielerisch leichte Schweißverfahren mit äußerlich ansprechendem Ergebnis verlocken ließen, müssten sich dessen bewusst sein – ebenso wie der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen (s. dazu unsere V-Naht 2025-4).

Als weiteren aktuellen Schwerpunkt des SLV Nord Werkstoffprüflabors gab Wagner Einblicke in die Untersuchung der Schweißeignung von Altstählen. Stähle von vor 1980, verbaut in zahlreiche Brücken, Spundwände und Bahnhöfe, weisen oft so hohe Gehalte an Phosphor, Schwefel und Mangan auf, dass Schweißarbeiten an ihnen ein großes Rissbildungs-Risiko bergen. Mit  Reinheitsgradbestimmungen mit geschliffenen, polierten, ungeätzten Proben machen Wagner und seine Kollegen bei Altstählen nichtmetallische Einschlüsse sichtbar, wie sich der Schwefel genau im Material verteilt, zeigen Baumannabdrücke. Aufschluss über die Frage, wie lange ein Stahl noch nutzbar ist, gibt währenddessen der Kerbschlagbiegeversuch – die Kerbschlagarbeit sollte dabei deutlich über 27 Joule liegen. 

Bei einem Rundgang durch mehrere Laborräume bekamen die Gäste schließlich verschiedene Geräte zu sehen, von der Einbettpresse für Makroschliffe über den Härteprüfer bis hin zur Röntgenanlage. Wir freuen uns über die gelungene Veranstaltung und danken allen Teilnehmer:innen herzlich für das Interesse und den anregenden Austausch!